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  • Endlich frei… in Freiburg!

    Hier lernten meine Eltern sich kennen – er aus Recklinghausen und Medizinstudent, sie aus Nürnberg und Studentin der Anglistik und Germanistik.

    Bei einem fakultätsübergreifenden Ball trafen sie sich, zwei hochsensible und lebenshungrige junge Menschen mit einer schwierigen Vorgeschichte, und verliebten sich Hals über Kopf.

    Endlich war da jemand, der Leid, Tiefe und Lebenslust in derselben Intensität teilte, wie sie selbst.

    Die Freiheit, die sie hier von ihrem bisherigen Leben erlebten, muss berauschend gewesen sein.

    Die freundliche und weite Landschaft mit Auen, Wäldern, Wasser und Bergen, fast ganz im Süden Deutschlands, Studentenfeiern und neue Erfahrungen.

    Auf meiner ersten Station Richtung Frankreich bin ich bewusst nach Breisach gefahren, wo meine Eltern offenbar einmal übernachtet haben – dies legt zumindest die alte Hoteladresse nah, die ich in einem ihrer Notizbücher fand. Natürlich werden sie dies nicht als Studenten getan haben, da das Geld nicht dafür dagewesen wäre.

    Doch die Landschaft, die Aussichten, die ich heute trotz der Kälte habe einfangen können, lassen ahnen, wie meine Eltern die besondere Atmosphäre und die schon fast französische Luft hier genossen haben müssen.

    Ich erinnere mich daran, wie sie von ihren Studentenjahren sprachen:

    Meine Mama in einem Zimmer in der Stadt mit (eigentlich) Männerverbot, großen Schüsseln zum Waschen und heimlichen Ausflügen zur Bäckerei – Croissants! – und mein Papa außerhalb von Freiburg zur Untermiete, so arm, dass er teilweise nur Brot und Senf zu essen hatte – und doch die Freiheit genoss, mit dem Rad in die Stadt zu fahren, auch wenn ihm einmal vor Kälte auch fast die Wimpern zufroren.

    Die wenigen Bilder aus dieser Zeit zeigen sie ausgelassen bei Feiern, auch wenn sie wie alle anderen damals erwachsener aussahen als spätere Generationen.

    Als meine Mutter als Au Pair nach Paris ging, folgte ihr mein Papa und heuerte in einer Werkstatt an. Als er bei einem französischen Wagen unwissentlich das Benzin in die falsche Öffnung füllte, wurde er fast gefeuert. Und die Gastfamilie meiner Mutter war so sehr auf eine schlanke Linie bedacht, dass sogar sie, die sich zeitlebens damit brüstete, sich nichts aus Essen zu machen, später gemeinsam mit ihrem geliebten Freund Baguette, Käse und Wein auf der Parkbank genoss.

    Ihre Erzählungen von den Künstlern an der Seine, von der Zeit der Tanzabende und Jazzkonzerte in Freiburg klangen wirklich wunder-bar, wenn auch nostalgisch, wie eine nie wiederzubringende Zeit.

    Ich bin dankbar, heute wenigstens einen Hauch von dieser Atmosphäre mitgenommen zu haben – und stoße auf die absolute Freiheit meiner Eltern an, zu der sie nun geworden sind!

  • Zwischenstopp in Deutschland

    Lange Zeit war nichts von mir zu hören – dabei hatte ich doch alles ganz anders geplant!

    Nach meinem letzten Beitrag über die Ausnahmesituation, ohne Internet zu sein, erwischte mich eine Erkältung und anschließend Covid, sodass ich die restliche Zeit in Frankreich abgetrennt von der süßen Loulou buchstäblich zitternd in einer anderen Wohnung verbrachte, jeden Tag auf Besserung hoffend.

    Der einzige Lichtblick war meine liebe Freundin, die inzwischen mit den Kindern von ihrer Reise zurückgekehrt war und mir jeden Tag bei ihren Besuchen köstliches Essen und so viel Anteilnahme und menschliche Wärme mitbrachte, dass es mir zumindest moralisch besser ging.

    Alle Kraft, die ich irgendwie erübrigen konnte, bündelte ich, um die wichtigsten Schüler und Klienten zu „versorgen“. Ansonsten war es eine Zeit ungemeiner Schwäche, erbärmlichen Frierens (sogar eine Matratze entzog mir gefühlt zu viel Wärme, sodass ich das Sofa vorzog), des Anstrengungsschwitzens, der nicht enden wollenden Kopfschmerzen und des unruhigen Wartens auf Besserung, da ich nie Fieber bekomme, sondern alle Krankheitsverläufe quälend langsam auf Sparflamme vor sich gehen.

    Das einzige „Highlight“ war ein Besuch beim Arzt, zu dem mich meine Freundin begleitete, um gegebenenfalls zu dolmetschen. Denn obwohl er so schnell wie ein Wasserfall sprach, verstand ich ihn im Großen und Ganzen! Das war eine angenehme Überraschung.

    Und ich brachte auch noch ungewollt eine komische Einlage, als ich seiner Aufforderung „Tirez la langue“ nach körpersprachlicher Rückversicherung bei meiner Freundin buchstäblich folgte, indem ich meine Zunge mit einer Hand festhielt und versuchte, sie „herauszuziehen“… Der Doktor blieb jedoch ganz unbeeindruckt und sprudelte weiter… 

    Sobald es meine Verfassung zuließ, traf ich mich mit meiner Freundin zu Spaziergängen am Meer, und auch meine liebe Loulou sah ich noch einige Male – sie war laut meiner Freundin auch anders nach unserem Abschied. Ihr Mann meinte später, sie sei wohl nicht mehr ganz zufrieden mit ihnen nach dem „Corinna-Spa“… Ach, Loulou!

    Langsam krabbelte ich wieder aus meiner Grube, wenn es auch immer wieder Rückschläge gab. Am Tag meiner Abfahrt sprach mir meine Freundin gut zu, doch noch einmal zu versuchen, eine Kur zu beantragen, was mir einen unglaublichen moralischen Aufschwung gab. So fuhr ich zwar mit kalten Füßen und schwummrigen Kopf los, fühlte mich jedoch dank viel kürzerer Reiseetappen als auf der Hinfahrt und der sich langsam einstellenden Fahrfreude (ein beheizbarer Autositz ist so ein Segen!) mit jedem Tag besser. Entgegen dem von meiner Mutter propagierten Muster, erst loszulegen, wenn man sich 100-prozentig gut fühlt, erschloss ich mir das langsame Vorwärtsgehen auch bei 60 Prozent, Kilometer für Kilometer.

    In Deutschland angekommen bestätigte mir mein Hausarzt, dass ich Corona gehabt hatte, und gab mir auch gleich Mittel gegen alle anderen Infektionen, die meinen Körper noch schwächten. Seither hat sich das intensive Frieren und die Neigung zu Erkältungen fortgesetzt, was die Übernachtungen bei meinen Freunden teilweise trübte. Und doch möchte ich diese Begegnungen nicht missen!

    Am schönsten und wärmsten war es bei den lieben neuen Besitzern des Hauses meiner Eltern – sowohl physisch als auch emotional. Sie meinten, ich sei gar kein Gast, sondern Teil der Familie, also das Familienmitglied, das noch fehlte. So habe ich es auch empfunden – bei ihnen im schön neu hergerichteten Gästezimmer fühlte ich mich so wohlig und zu Hause im ehemaligen Haus meiner Eltern wie noch nie zuvor!

    Beladen mit Köstlichkeiten – auch schon von meiner Freundin zuvor – brach ich wie eine russische Studentin nach einem Besuch bei den Eltern zu meiner nächsten Zwischenstation vor meiner Abreise nach Frankreich auf: Stuttgart!

    Auf unerklärliche Weise fühle ich mich in dieser Stadt immer einen Ticken wohler, lebendiger, attraktiver.

    Diesmal nutzte ich eine gute und günstige Unterkunft, die mir erlaubte, es mir so warm zu machen, wie es mein Körper eben gerade braucht. (Wer weiß, vielleicht möchte er mir ja signalisieren, dass ich nach anderen Gefilden Ausschau halten sollte? ;-)) Und ich traf in meinem Tempo liebe Freunde und auch ehemalige Kollegen meiner Schwester.

    Besonders berührend war es, in der Unibibliothek tatsächlich Bücher von ihr zu finden, die ich an ihrer Signatur im Einschlag oder wenigen handschriftlichen Notizen erkannte. So haben die 1200 Bücher aus ihrem Nachlass in ihrer Heimatuni Eingang in einen würdigen Korpus an Büchern gefunden und stehen nun zahllosen Studenten zur Verfügung – ganz in ihrem Sinne!

    Nun steht bald meine Abfahrt zum ersten „offiziellen“ Housesit in der Dordogne bevor – die Route mit vielen historischen Zwischenstopps steht schon; jetzt bleibt mir nur noch, verschiedentliche Körner und Getreide, die es so nicht in Frankreich gibt, sowie Lebkuchen für meine „Gastgeber“ zu besorgen.

    Ich bin sehr dankbar für diese Zeit, die mich lehrte und lehrt, noch geduldiger mit mir und meinem Körper zu sein. Bei den zahlreichen amtlichen Begegnungen – Hausratversicherung, Führerscheinmeldestelle, Lagerhaus, Polizei, Glasfaserkabelanbieter, Bank, Finanzamt etc. – , gelang es mir immer mehr, alles Schrittchen für Schrittchen anzugehen und nicht in Panik zu geraten.

    Über Jahrzehnte hatte ich immer alle Formalitäten unter extremem Zeitdruck neben nicht enden wollenden Arbeitseinheiten erledigen müssen und war schnell aus der Bahn geworfen, wenn nicht alles sofort „flutschte“. Nun erfahre und lerne ich, dass alles lösbar ist und selbst zunächst schreckeinflößende Behörden wie Finanzamt und Polizei eben auch nur aus Menschen bestehen, mit denen man – welch Überraschung! 😉 – tatsächlich sprechen kann!

    Mir wurde auch klar, dass ich mit dieser Reaktion ein Muster meines Papas imitierte, der bei uns zu Hause bis auf wenige Ausnahmen alles schultern musste und diese Rolle als Kriegskind schon früh verinnerlicht hatte. Daraus ergab sich eine Mischung aus der Überforderung, nicht kindgerechte Aufgaben lösen zu müssen, und dem Frust, immer alles alleine machen zu müssen – ein Cocktail, den ich offenbar energetisch übernommen hatte.

    Kennst Du auch solche „Knotenpunkte“ oder Stolpersteine, wenn sich bei Dir alles zusammenschnürt, Dein Atem flach wird und Du diese eine Sache so schnell wie möglich hinter Dich bringen möchtest?

    Wo der souveräne Erwachsene, der Du normalerweise bist, sich plötzlich verflüchtigt und Du in Verhaltensweisen und Reaktionen verfällst, die eher einem überforderten Kind ähneln?

    Wenn Du was auch immer gerade ansteht, ruhig und aus der Sicht des Erwachsenen, der Du heute bist, betrachtest – ist es wirklich so furchteinflößend, oder könnte ein ruhiges Herantreten an diese Sache vielleicht ganz andere Perspektiven eröffnen?

    Gerade bin ich selbst überrascht, dass mein ursprünglich als kurze Schilderung meines Zwischenstopps in Deutschland geplanter Beitrag diese Wendung nimmt. 🙂

    Doch was wäre, wenn allein diese Erkenntnis aus der krankheitsbedingten Verlangsamung schon eines der Geschenke ist, die ich habe mitnehmen dürfen – abgesehen von der Erkenntnis, dass ich auch weitermachen kann, wenn ich nicht hundertprozentig gesund bin?

    Ich fasse mich in Geduld und „tue“ vielleicht langsamer, lasse mich jedoch nicht mehr aufhalten!

    In diesem Sinne wünsche ich auch Dir vielleicht noch ein wenig mehr Geduld mit Dir selbst – damit, wie Dein Körper reagiert, beim Aufdecken und Loslassen übernommener Muster, beim Erkunden, wie Du HEUTE auf Dinge reagierst und was Dir wirklich guttun würde.

    Als Fragen formuliert:

    • Wie viel Geduld kannst Du heute mit Deinem Körper haben?
    • Wo wiederholst Du energetische Muster Deiner Eltern (und kannst sie einfach loslassen)?
    • Wenn Du keine vorgefertigte Meinung dazu hättest, wie Du wann worauf reagierst –wie geht es Dir JETZT mit ______?
    • Was würde Dir JETZT wirklich guttun?

    Ich wünsche Dir einen wunder-vollen Tag!

  • Wenn der Körper den Weg weist 3

    Empfangen, Licht und Loulou: Ein Tag ohne Internet
    Der Genuss, am Leben zu sein, Teil II

    Ein Tag ohne Internet.

    Nach über 30 Stunden wackliger Verbindung mit unzähligen Versuchen, sie zu richten, nun der Komplettausfall.

    Ganz draußen am Meeresufer gibt es paradoxerweise so viel Netz, dass immerhin die vorbereiteten Nachrichten an meine Schüler rausgehen.

    Eine gute Gelegenheit, um meinen nächsten Blog zu schreiben.

    Über meine herrliche Zeit hier im Süden.

    Über die Sonne, das Licht, die Weite.

    Und nun auch über den Regen, die Strom- und Internetausfälle…

    Am Meer habe ich vorhin dieses Bild aufgenommen – was für ein herrliches Spektakel!

    Und zugleich bemerkt, wie sehr mich die Aussicht entspannt, heute einmal kein Internet zu haben.

    Wie viel tiefer und ruhiger ich atme.

    Wie die innere Tagesstruktur ihre Eisenklaue um mein Hirn auf einmal lockert.

    Auf einmal tut sich so viel Zeit auf!

    Dabei ist das Internet die Welt, die gerade mir als digitaler Nomadin ALLES ermöglicht:

    den Kontakt mit Klienten, Schülern und Freunden,

    die Möglichkeit, auf den verschiedensten Kanälen zu posten,

    die Quelle für Nachrichten aus aller Welt und Unterhaltung.

    Paradoxerweise scheint das einen gewissen Druck aufzubauen, wie mir gerade mein Körper dadurch zeigt, wie es sich anfühlt, wenn das Internet zumindest vorübergehend wegfällt.

    Die Momente werden intensiver.

    Mein Hirn – noch mitgenommen von einer abklingenden Sinusitis – entspannt sich zusehends.

    Die Zeit erstreckt sich auf einmal unendlich.

    Meine Wahlen werden so viel größer.

    Und ich fühle mich zurückversetzt in Zeiten, als es diesen ständigen Unterhaltungs- und Kommunikationskomplex für die Handtasche nicht gab:

    Als der Höhepunkt an Technologie als Kind war, mich mit Freunden am Telefon mit Wählscheibe zu verabreden – wenn wir das nicht schon in der Schule getan hatten – und ich alle vierstelligen Telefonnummern auswendig kannte!

    Als ich als Studentin auf den unendlich langen Zugfahrten nach Russland, die ich mir mit Jobs und eisernem Sparen immer wieder ermöglichte, dieselbe Blues-Kassette mit dem Walkman rauf- und runterhörte – wohlgemerkt nicht auf automatischer Dauerschleife, sondern ich musste die Kassette herausnehmen, umdrehen und wieder auf Play drücken… ;-).

    Als ich später als DAAD-Tutorin in Russland nur einmal pro Woche im Computer-Kabinett der Uni E-Mails an meine Familie verfassen konnte, die je nach Stabilität der Verbindung am Ende der Stunde mal durchgingen, mal nicht. Und dies über 9 Monate die einzige Kommunikation war, da Telefonieren zu teuer war.

    Wie ich all das empfand?

    Nach der Reaktion meines Körpers, der sofort ganz ruhig wird und durchatmet, als frei und leicht und „ganz da“.

    Heute spricht man so viel von Mindfulness, davon, im Moment, im Hier und Jetzt, präsent zu sein. Es werden Techniken angeboten und umfassend erörtert, wie man wohl diesen Zustand am besten erreichen kann.

    Dabei wird bisweilen jedoch das Präsentsein zu einem weiteren Ziel, das es zu erreichen gilt und dem man nur während bestimmter Zeiteinheiten, wie beim Yoga, einem schönen Bad oder einem Spaziergang in der Natur, Raum gibt.

    In der Werbung gibt so viele Anspielungen auf präsenzversprechende Pausen wie nie zuvor: ob es nun um Tee, ein Auto oder Kinder-Pingui geht.

    Zwar wird auch das ständige Online-Sein durchaus als Risikofaktor identifiziert, der dem Präsentsein entgegenwirkt, doch gelebt und praktiziert wird etwas anderes.

    Die vielfältigen Angebote der bunten Online-Welt sind allzu verlockend, und bewirken zugleich einen gewissen Druck.

    Zumindest mich machen die Symbole ungelesener Nachrichten unrund, während ihr „Abhaken“ mein Belohnungszentrum befriedigt. Doch beim nächsten Griff zum Handy schaue ich schon wieder nach den nächsten Benachrichtigungen.

    Es scheint ein aussichtsloser Kampf zu sein, sich dem zu entziehen.

    Doch was, wenn es einfacher ginge, präsent zu sein, als wir uns einreden lassen?

    Wie wäre es, wenn wir uns ohne jegliche weitere Bewertung und Überlegung darauf einlassen, einfach so zu sein, wie wir jetzt gerade sind?

    Und uns erlauben, die eigenen Gefühle wahrzunehmen und sie „durchlaufen“ zu lassen, ohne zwischen vermeintlich guten oder schlechten Empfindungen zu unterscheiden?

    Wie wäre es, keine besonderen Zeiträume mehr abteilen zu müssen fürs „Präsentsein“?

    Wenn ich ganz im Moment bin, während ich abwasche, während ich ein schwieriges Gespräch mit einem Klienten führe, oder während ich esse, brauche ich keine besonderen Rituale mehr.

    Möglicherweise bin ich sogar effizienter, wenn ich nicht schon 10 Schritte vorausdenke, und vor allem habe ich dann jeden Moment so ausgeschöpft, so tief erlebt, dass ich nicht mehr zu ihm zurückkehren muss.

    Natürlich gibt es Momente, die so intensiv sind, dass der Geist abschalten möchte. Dann kann eine spätere Betrachtung des Geschehenen durchaus wichtig sein.

    Als jemand, der dies leider exzessiv betrieben hat – wo schon beim Aufwachen die Analysemühle des Vortags einsetzte – bin ich allerdings sehr dankbar, nun einen anderen Ansatz gefunden zu haben: nämlich die Dinge genau jetzt zu er-leben und dann weiterzugehen.

    Für alle mit normalem „Dabeisein“ verarbeitbaren Momente reicht es mir nun aus, sie einfach voll und ganz zu erleben, um dann aus dem Sein heraus bewusst die nächsten Momente zu gestalten.

    Ein Beispiel:

    Ich habe ein unangenehmes Gespräch mit einem Klienten. Indem ich voll und ganz „dabei“ bin, spüre und erkenne ich, wo es hakt, was für mich tolerabel ist und was nicht und wozu der Klient bereit ist und wozu nicht.

    Danach signalisiert mir mein Körper vielleicht, dass er sich bewegen möchte, um alle Emotionen, die ihn in Bewegung, in „Motion“ gebracht haben, durchlaufen zu lassen.

    Schließlich komme ich innerlich zur Ruhe und erkenne, wie ich nun weiter verfahren kann, wobei mein Körper mit seinen Signalen den Ausschlag gibt.

    So ist der unangenehme Moment bereits „verarbeitet“.

    Und im Anschluss kann ich mich ganz dem nächsten widmen, zum Beispiel dem Abendessen.

    Tatsächlich habe ich auch hier durch die Bewegung einen zusätzlichen Zeitraum geschaffen, der dem Präsentsein gewidmet war, doch ergab er sich nicht aus vorheriger Planung, sondern folgte organisch aus den vorherigen präsenten Momenten, gefolgt vom nächsten präsenten Moment.

    Was ich derzeit hier im wundervollen Süden Europas erlebe, ist äußerst inspirierend im Bezug aufs volle Da-Sein, trotz oder gerade aufgrund des erzwungenen Offline-Modus.

    Meine größte Lehrerin im reibungslosen Wechsel der Gemütszustände ist hierbei – Überraschung, Überraschung – die liebe Loulou :-).

    Sie kommt früh maunzend an mein Bett, ganz im „Wenn Du mich nicht bald fütterst, verhungere ich elendiglich“-Modus… wohlgemerkt nur, wenn es die Situation erlaubt!

    Bin ich nämlich krank oder extrem müde, weiß sie sich durchaus zurückzunehmen; entweder, indem sie noch wartet oder weniger „aufreizende“ Laute von sich gibt.

    Sie spürt ganz genau meine Bereitschaft und Fähigkeit, ihren Wünschen zu entsprechen, und passt ihre Äußerungen an.

    Wenn sie dann ihr Futter bekommt und spürt, dass ich es gerade niedlich finde, wenn sie mir laut miauend um die Beine streicht, bringt sie mich vor Begeisterung samt Schüsselchen fast zu Fall. Snoopys Freudentanz ist nichts dagegen …

    Merkt sie hingegen, dass ich gerade Kopfschmerzen habe oder mir wünsche, es mal mit weniger Drama über die Bühne gehen zu lassen, kann sie ganz zurückhaltend sein.

    In der Regel ist es aber einfach pure Freude, ihr das heißersehnte Futter zu geben, da ich sie so gut nachvollziehen kann!

    Wenn sie ihr Schüsselchen spiegelsauber leegeleckt hat, folgt ein Ritual: Sie wetzt ins Haus und krallt sich in den Bastteppich, und wartet scheinbar nur darauf, dass ich sie anspreche. Dann jagt sie flugs die Treppe hoch, als wäre ich ein bedrohliches Monster. Oben hockt sie ein paar Minuten unter dem Bett, vermeintlich gut versteckt.

    Wenn jedoch unten etwas ist, das ihre Aufmerksamkeit erfordert, kommt sie völlig entspannt wieder herunterspaziert, als sei nichts gewesen, und tut ihre Wünsche kund – zumeist möchte sie dann von ihrer Pförtnerin rausgelassen werden.

    Und auch da ist sie sehr deutlich: Ist es ihr zu kalt, kommt sie gleich wieder rein und verzieht sich aufs Sofa, ist es jedoch schön und sonnig, sucht sie sich draußen ein Plätzchen, an dem sie es sich so richtig gemütlich macht. Und dann verbringt sie Stunden dort, in immer wieder neuen wohligen Positionen – die sie übrigens auch auf dem Sofa zu finden weiß.

    Ab und zu verschwindet sie über den Gartenzaun, besonders gerne abends und nachts, und ich bin sicher, dass sie da draußen spannende Dinge erlebt.

    Wenn wir aber beide auf dem Sofa sitzen und sie gerade mal damit ihre Toilette beendet hat, schaut sie gerne zu mir rüber und kommt für ein Weilchen auf meinen Schoß, wo sie sich ausgiebig hinter den Ohren, unterm Kinn und an den Bäckchen kraulen lässt – und natürlich sind auch Streicheleinheiten am Rücken, am Bauch und sogar ihren langfingrigen Pfoten willkommen.

    Sie zeigt immer sofort, was ihr gefällt und was nicht.

    Und wenn sie genug hat – was dauern kann, sodass ich bisweilen mit triefender Nase da sitze, weil ich vergessen habe, mir Taschentücher bereit zu legen – trollt sie sich wieder. Allerdings legt sie sich dann gerne schräg auf die Seite und stemmt sich mit ihren weichen Fußsohlen in meine Beine.

    Ich bin ihr so dankbar für ihr unverfälschtes Sein, das so sehr zu genießen weiß!

    Ganz zu schweigen von den Momenten, in denen sie zu mir kam, wenn ich weinte oder mich kränklich fühlte und mich durch ihr Schnurren bald wieder beruhigte.

    Einen nahtloseren Wechsel zwischen verschiedenen Gefühlszuständen ohne irgendwelchen Ballast kann ich mir derzeit nicht vorstellen. Und ich bin schon sehr gespannt darauf zu sehen, wie sie sie mit ihrer Familie verhält, die in einigen Tagen zurückkommt.

    Was, wenn wir alle ein wenig mehr so leben könnten wie Loulou?

    Also uns und unseren Körpern zugestehen, uns das zu holen, was uns gerade am meisten guttut?

    Das kann damit anfangen, dass wir spüren, wie wir sitzen, gehen, stehen und atmen.

    Und dann einfach immer wieder feinjustieren, wie es noch angenehmer sein kann – hier und jetzt, und nicht erst in der Yogastunde.

    Und ja, vielleicht wird sogar der Wunsch geringer, uns online berieseln zu lassen, wenn wir uns der unverfälschten und unmittelbaren Welle des Moments hingeben?

    Damit will ich nicht behaupten, dass „online“ kein wichtiges Element sei.

    Alles hat seine Zeit und seinen Raum – doch was, wenn wir bei der Reihenfolge und Dauer aller Elemente immer mehr unseren Körper den Ton angeben lassen?

    Ich bin sicher, dass wir so ein wenig mehr wie Loulou werden können, die auf dem Absatz kehrt macht, wenn ihr etwas nicht taugt, und sich ihre Streicheleinheiten holt, wo immer es geht.

    Meine – heute vielleicht nur halb ernst gemeinten – Fragen an Dich:

    1. Wo kannst Du auf dem Absatz kehrt machen und so launisch sein wie eine Katze?
    2. Was, wenn Streicheleinheiten ein MUSS sind, das Du auch von Dir selbst einfordern solltest? (Sprich: Kannst Du in Deinem inneren Monolog heute ein bisschen netter zu Dir sein als sonst?)
    3. Was, wenn Du darauf vertrauen kannst, alles zu schaffen, was wirklich zählt, solange Du auf Deinen Körper hörst?

  • Wenn der Körper den Weg weist 2

    Empfangen, Licht und Loulou: Die Ankunft im Süden
    Der Genuss, am Leben zu sein, Teil I

    Wie in meinem letzten Blog angekündigt, brach ich nach dem heilenden Aufenthalt am Schliersee nach Südfrankreich auf.

    Dies war nun eine Reise, die an Länge und unbekannten Faktoren alles überstieg, was ich je zuvor gewagt hatte. Die Strecke betrug 1200 Kilometer, führte durch Österreich und die Schweiz nach Frankreich und dann ganz hinunter in den Süden.

    Zum Glück war kein Linksverkehr involviert – das hätte den Vogel für mich abgeschossen… 😉

    Dank der wunderbaren Vorbereitung meiner Freundin hatte ich die Reise in zwei Abschnitte unterteilt, mit Zwischenstopp bei ihrem Mann, der unter der Woche beruflich in der Schweiz lebt. Er sollte mich mit weiteren Tipps und Tricks für die Fahrt versorgen.

    Die Fahrt zu ihm dauerte sechs Stunden – abgesehen von den Pausen – und war nach anfänglicher Aufregung, ob ich die Vignetten rechtzeitig würde kaufen können, insgesamt eine recht glatte Angelegenheit. Meine liebe Freundin am Schliersee hatte mich vor der Abreise mit Informationen und energetischer Unterstützung innerlich gestärkt.

    Ich war erstaunt, wie schnell die Schweizer fuhren und passte mich insgesamt dem Flow an, der sich nach meinem Empfinden nicht viel von dem auf deutschen Autobahnen unterschied, nur eben bei geringerer Grundgeschwindigkeit.

    Mein Schrecken war riesig, als mir der Mann meiner Freundin erklärte, auch bei einer Geschwindigkeitsübertretung von nur einem km/h würden einem in der Schweiz Strafzettel ins Haus flattern. Warum dann fuhren alle wie die Henker – zumindest nach Georgias Tacho?

    So geeicht, schwitzte ich bei der Weiterfahrt Blut und Wasser in meinem Versuch, mich an die Geschwindigkeiten zu halten, was offenbar selbst die Schweizer spürbar aggressiv machte. Der Übertritt nach Frankreich versprach Erleichterung, doch nur zu Beginn. Je mehr ich in den Süden kam, umso greller wurde das Licht für meine auf Herbst umgestellten Augen, und umso spontaner empfand ich die Überholmanöver der LKW. Es war einfach eine fürchterlich lange Fahrt: Nach jeweils drei Stunden brauchte ich eine Pause von einer Stunde und kam nach 11 Stunden völlig fertig mit den Nerven am Ziel an.

    Das letzte Stück – eine geschlängelte Sumpflandschaft- und Uferstraße, die berüchtigt ist für waghalsige Raser und gefährliche Überholmanöver – hatte ich vermeiden sollen, doch aufgrund meiner Übermüdung und der Furcht, den letzten Saft auf meinem Handy zu verlieren, war ich doch hineingeraten.

    Ein Raser hinter mir fuhr so dicht auf und blendete mich, dass ich in Panik auf einen winzigen Nothalt abfuhr, der eine ganze Asphaltschicht tiefer lag als die Straße und vornehmlich aus den hiesigen Sand- und Felsformationen bestand. Dies hatte ich in der Eile nicht gesehen. Nachdem ich mich einigermaßen beruhigt hatte – ich weinte und hyperventilierte nur noch unkontrolliert – musste ich aber wieder hoch auf die Straße. Beim Auffahren über eine sehr abschüssige Kante kratzte ich gefühlt den Bauch von Georgia an, und sie war ebenso schwach auf der Brust wie ich, was meinen Panikmodus sofort wieder aktivierte.

    Gott sei Dank war ein älteres Ehepaar hinter mir, das betont Abstand hielt und mit Lichtsignalen bewirkte, das mich niemand mehr überholte. So zog ich heulend und hyperventilierend gefühlt 20 Minuten lang eine ganze Kolonne an Wagen hinter mir her, bis ich endlich am Eingang der Siedlung zum Halten kam… dankenswerterweise direkt vor einer Apotheke.

    Als ich ausstieg, war mir so schwummrig, dass ich mich mehrmals auf den Asphalt setzen musste. In der Apotheke half mir eine Mitarbeiterin trotz meines gebrochenen Französisch ganz toll, verkaufte mir ein pflanzliches Beruhigungsspray und riet mir, erst einmal das Haus zu Fuß zu suchen und dann mit dem Wagen hinzufahren. Dieser Rat erwies sich als Gold wert.

    Wie sich herausstellte, war ich nicht weit von meinem Ziel zum Stehen gekommen und konnte nach dem kleinen Erkundungsgang tatsächlich viel ruhiger die liebe Georgia in der Nähe vom Haus parken.

    Innerlich erschüttert trug ich die wichtigsten Dinge aus dem Wagen ins Haus und sprach mit Freunden, die mir sofort halfen, mich zu beruhigen. Dennoch fühlte ich mich doch sehr aufgeschmissen und alleine; der Schrecken saß mir buchstäblich in den Knochen.

    Da ertönte ganz in meiner Nähe plötzlich ein deutliches Maunzen: Die karamellfarbene Loulou hatte sich bei den vielen Bast-Accessoires im ansonsten strandfarben eingerichteten Haus bis dahin optisch nicht abgehoben. Dabei hatte sie offenbar schon die ganze Zeit geduldig auf dem Bürostuhl gesessen und geschaut, wer und was denn da so angekommen war.

    Aufgeregt, aber freundlich strich sie mir um die Beine, beschnupperte und markierte bald alles mit dem Mundwinkel. Sie ließ sich auch erstaunlich schnell kraulen – vor allem aber wollte sie natürlich ihr abendliches Futter. Dieses fand ich dank der wunderbaren Anleitungen meiner Freundin sehr schnell, und mein angeschlagenes Nervenkostüm beruhigte sich zusehends.

    Langsam konnte ich auch den tollen Präsentkorb wahrnehmen, den sie im Namen von Katze und Familie vorbereitet hatte, und ich fand auch mein Schlafgemach.

    Als ich endlich wieder aß und trank – nach einem Tag mit bewusst wenig Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme, um nicht zu müde zu werden bzw. nicht ständig zur Toilette zu müssen – bemerkte ich, dass ein Großteil der Panik genau deswegen hatte Fuß fassen können.

    Zudem hatte ich durch den Blick aufs Navi – der durch die Installation meines Handys im neu erworbenen Handyhalter zum ersten Mal möglich geworden war – mein wirkliches Fahrtempo gesehen – ich lag regemäßig unter der Geschwindigkeit auf meinem Tacho!

    Im Nachgang bedeutete dies zweierlei:

    All die Leute, die mich in der Vergangenheit betont echauffiert überholt hatten – und dies trotz meiner Bemühungen, eben nicht „Punkt xx“ zu fahren – hatten richtig gelegen: Offenbar war ich ständig viel zu langsam unterwegs gewesen!

    Zum anderen ließ sich nun aber auch hoffen, dass mein erster Tag der Ausschweifungen in der Schweiz gar nicht so ausschweifend gewesen war. Möglicherweise war ich gerade richtig gefahren…

    Kein Wunder, dass mir alle wie Raser vorgekommen waren!

    Dennoch saß der Schrecken noch tief, sodass ich mit dem Autofahren noch einige Tage nach meiner dramatischen Ankunft wartete. Und als ich dann wieder fuhr, stellte ich zu meiner Erleichterung fest, dass es Georgia gut ging. Außerdem waren die Leute insgesamt – bis auf wenige Ausnahmen, die auch bei durchgezogener Linie ohne Einsicht in die vorausliegenden Kurven mit Aufblendlicht überholen, sehr gemächlich unterwegs. Überdies hatte ich nun endlich eine korrekte Geschwindigkeitsanzeige – die mir übrigens auch verriet, dass offenbar auf Landstraßen in Frankreich 80 km/h Höchstgeschwindigkeit gelten… Erkenntnisse über Erkenntnisse. 😉

    Nun aber zurück zur wunderbaren Katzendame, die fortan meinen Aufenthalt bestimmte. Ihre Zutraulichkeit war und ist ein so süßes Geschenk, dass ich es gar nicht in Worte fassen kann.

    Ich hatte eine wilde Katze erwartet, die ausschließlich über das vergitterte Küchenfenster ein- und aussteigt, wenn sie will, generell aber ihr Ding macht und höchstens zum Fressen kommt.

    Die Loulou, die ich erleben darf, ist zutraulich, anschmiegsam, gesprächig und äußerst genießerisch.

    In den ersten Tagen war ich noch sehr vorsichtig und einmal ganz traurig, als ich sie scheinbar durch eine plötzliche Bewegung verschreckt hatte: Nach einer „zutraulichen“ Nacht, in der sie sogar auf meinem Fuß geschlafen hatte, war sie am Morgen nach Futter und Streicheln auf einmal weggestoben und seither nicht mehr gesehen.

    Meine Freundin beruhigte mich und erklärte, das sei normal – innerlich dominierte jedoch meine alte automatische Reaktion, ich habe etwas falsch gemacht und unwiederbringlichen Schaden angerichtet.

    Als Madame Katze dann am Abend wiederkam, war es, als sei nichts gewesen, und seither bin ich absolut fein mit egal welchen Stimmungen sie an den Tag legt.

    Ich meine auch herausbekommen zu haben, dass dieses „Wegstieben“ eine Art Ritual ist, das ihr sogar Spaß macht. Als ich es einmal lachend kommentierte, hielt sie auf der Hälfte der Treppe inne und schaute fragend herunter.

    Was sie alles versteht, ist unfasslich – und dann wieder nicht: Sie ist ja ein sehr bewusstes Wesen mit Wünschen und Vorlieben, das jederzeit die Energie um sich herum liest.

    Umso dankbarer bin ich ihr, dass sie mir jeden Tag und jede Nacht zum Genuss macht; abgesehen vielleicht vom bisweilen sehr frühen morgendlichen Aufweckmaunzen, damit ich ihr ihr Futter gebe. 🙂

    Je länger wir Zeit miteinander verbringen, umso mehr reicht es, Dinge nur an sie hinzudenken, um zu wissen, dass sie weiß, was ich meine.

    Und das gilt auch umgekehrt! 🙂

    Als ich einmal abends beim Filmegucken – ein wunderbarer Anlass, sie auf dem Schoß zu haben und ausgiebig zu streicheln, bis es ihr zu warm wird – mein angekabeltes IPad näherholte, um etwas umzuschalten, haschte sie sachte nach dem Kabel.

    Ich erinnerte mich daran, dass es extra tolle Paketschnüre für sie gab, holte eine her und wedelte damit vor ihrem Gesicht herum. Der Blick, den ich erntete, war so voller Verachtung, als hätte ich ihre Ehre und ihren Verstand gekränkt. Sie hatte sogar ungläubig den Kopf schiefgelegt und verschwand dann wortlos, oder vielmehr maunzlos.

    Ist es nicht klasse, wie wieder das Tier mich heranzieht und nicht umgekehrt?

    Während sie vorher durchs Küchenfenster musste, um ins Haus und aus dem Haus zu gelangen, weiß sie nun, welche Geräusche sie von außen mit ihren Pfötchen und von innen mit ihren Krallen machen muss, damit ihre ergebene Dienerin Haus- oder Terrassentür öffnet, damit sie entspannt hindurchspazieren kann.

    Doch dies ist ein „Dienen“, das Freude macht.

    Und… huch, JETZT muss ich sie füttern gehen – das Maunzen ist inzwischen eindeutig zu laut und eindringlich!

    Um einen Eindruck von ihrer unendlichen Fähigkeit zu genießen zu vermitteln, füge ich ein paar Bilder hinzu.

    Dieses Mal habe ich gar nicht viele Fragen an Dich, höchstens:

    1. Hast Du jemanden (und dazu zähle ich Tiere), der uneingeschränkt genießen kann?
    2. Wenn ja, erlaubst Du Deinem Körper, mitzuschwingen auf diesem Vibe?
    3. Was, wenn es nie ein Zuviel an Schlaf oder Liebkosung geben kann? 😉

  • Wenn der Körper den Weg weist – 1

    Zwischenstation am Schliersee: Eine Lektion in Willkommensein

    Seit meinem letzten Blogpost hat sich ungemein viel ereignet auf meinem Weg der Sammlung jener Elemente, die MEIN Zuhause ausmachen.

    Und schneller als erwartet bin ich wieder on the move.

    Wie es dazu kam?

    Durch die immer lauter werdende Stimme meines Körpers.

    Meine letzte Unterkunft im Grünen, die im Sommer so paradiesisch gewesen war, wandelte sich im angehenden Herbst zusehends zur Kältefalle für mein vorbelastetes System.

    Nach einer Woche Urlaub in einem isolierten und gut beheizbaren Raum schlug alles um.

    Plötzlich wogen alle Dinge, die zuvor ein erträgliches Maß an Anpassung erfordert hatten, unendlich schwer, ich hatte Dauerhalsschmerzen und war ständig am Abgrund einer Sinusitis. Trotz drei Decken und so vieler Schichten an Nachtkleidung, wie nur gingen, konnte ich oft nur von Mitternacht bis um vier früh schlafen, um mich dann weit vor Sonnenaufgang in Bewegung zu stürzen. Ich zählte die Nächte, schleppte mich durch die Tage… und suchte aktiv nach einer Lösung.

    Ich recherchierte Wohnungen auf Zeit in Stuttgart, vereinbarte Besichtigungstermine und fuhr nur vier Tage später mit dem Deutschlandticket los. Allein in die vertraute Gegend zu kommen, die mich mit meiner Schwester sowie ihren und meinen Freunden verbindet, war ungemein wohltuend.

    Das intensive Besichtigungswochenende zeigte jedoch schnell, dass dies zumindest zu diesem Zeitpunkt nicht die Lösung ist – mein Körper war schnell wieder auf der Kippe zur Krankheit, und es kam auch kein Mietvertrag zustande.

    Doch dann ergab sich aus einem Gespräch mit einer Freundin eine wahrhaft phantastische Fügung – im Folgemonat würde ihr Haus im Süden Frankreichs einen Monat leerstehen und die halbwilde Katze müssten sie mit in die Stadt nehmen. Wenn ich jedoch Haus und Katze hüten würde, wäre allen gedient. Dies war die Lösung! Zumal sich diese Gelegenheit elegant an meinen ersten schon lange geplanten House-Sit bei Freunden im Schliersee anschließen würde.

    So brach ich also meine Zelte ab, verbrachte innerhalb von fünf Tagen all meine Habseligkeiten in ein professionelles Lagerhaus und fuhr nach einem freundlichen, aber bestimmten Abschied vom vormaligen grünen Paradies los, mit einer vollbepackten Georgia!

    Georgia ist mein wunderbar zuverlässiges Auto, das ich allerdings aus mangelndem Anlass kaum gefahren hatte, weswegen ich immer noch ängstlich war. Die relative Abgeschiedenheit und phantastische ländliche Ruhe des grünen Paradieses hatte jedoch bewirkt, dass sich ein Schalter umlegte – auf einmal war Fahren kein Freizeitvergnügen mehr und ich gewann sogar zweitweise Gefallen daran.

    Zwar hatte ich immer noch Respekt vor unbekannten und vor allem „längeren“ Strecken – bei maximalen Fahrten von drei Stunden in der Vergangenheit war diese Grenze für mich schnell erreicht – und doch wagte ich mich ins Abenteuer – und kam auch, o Wunder, heil an, ohne größere Seelenqualen. 🙂

    Im Haus meiner lieben Freunde, die zu einer lang geplanten Reise aufbrachen, erwarteten mich die beiden vierbeinigen Mitbewohner, die ich schon von vorherigen Besuchen und Kursen kennen und lieben gelernt hatte: Kitti, das zarteste schwarze Kätzchen der Welt, das so leicht ist, dass ich sie immer in die Handtasche stecken möchte, und die tiefenentspannte goldene Hundedame Gina.

    Zunächst war es ungewohnt, ohne meine lieben Freunde deren riesiges Haus zu bewohnen, aber dank der Tierchen war ich ja nicht alleine, im Gegenteil.

    Zumal sich bald ein Rhythmus der Gassigänge einstellte, bei dem Gina mich dreimal am Tag für mindestens eine halbe Stunde aus dem Haus holte – nicht ganz einfach mit meinem Online-Unterricht zu koordinieren, doch ich bekam es hin.

    Sie half mir mit ihrem geduldigen Warten und einwandfreien Gehorchen, mich mit der neuen Aufgabe zurechtzufinden – sie zum Wegesrand zu rufen, wenn ein Auto kommt, sie eventuell an die Leine zu nehmen, wenn jemand sonst Angst hätte, ihre Hinterlassenschaften aufzusammeln, und natürlich sie bei Gehorchen mit Leckerli zu belohnen.

    Eigentlich war ich ja die Aufpasserin und Versorgerin, die dachte, sie gibt den Ton an, doch ehrlich gesagt coachte sie mich. 🙂

    Die einzige stark verhandlungsfähige Frage war, wie viele Leckerli sie denn bekommen solle. Und da Spaziergänge auch Leckerli bedeuten, wurde ich sehr oft angestupst, wie oben beschrieben, auch schon früh morgens.

    Durch Gina kam ich ohne Fehl hinaus in die herrliche Natur, die sogar bei Regen und grauem Himmel einfach nur belebend war. Und bald kam ich mir auch schon nicht mehr komisch vor, wenn sich meine Gespräche nun auch auf die Vierbeiner erstreckten.

    Nach und nach ließ mein Körper den Schrecken der kurzen, aber intensiven Kälteerfahrung, die alte Traumata aufgerührt hatte, wieder los. Die bis in die letzten Fasern verkrampften Muskeln lösten sich zusehends mit jedem Spaziergang. Meine Augen erwarteten nicht mehr in allen Ecken und Ritzen davonhuschende Schatten, und zu jeder Tages- und Nachtzeit Warmwasser und Heizung nutzen zu können, war ein Segen.

    Ich konnte wieder schlafen und sah meinem Tagwerk freudig entgegen.

    Dennoch drückten das herbstliche Grau und die Dunkelheit langsam aufs Gemüt. Also freute ich mich fast so unbändig wie Kitti und Gina über die Rückkehr meiner Freunde, obwohl wir zu dritt ein tolles Team geworden waren!

    Ich bin sehr dankbar für diesen weiteren Schritt auf meinem Weg, bei dem ich den Signalen meines Körpers folge. Genaugenommen hatte er sich ja bereits während des Verkaufs und Verlassens meines Elternhauses ganz deutlich zu Wort gemeldet und den Ablauf getaktet.

    Sich einzugestehen, was Körper, Geist und Seele wirklich wohl tut und was nicht, und dem nach Möglichkeit nachzugeben, ist ein ungemeines Geschenk, vielleicht das größte, das ich mir je gemacht habe.

    Auf diesem weiteren Schritt nun machte ich eine wundervolle Erfahrung: nämlich, wie es sich anspürt, in einem Haus willkommen zu sein, in dem ich mir alles nehmen und alles nutzen darf, wonach mir ist. In dem man mir so sehr vertraut, mich um die vierbeinigen Familienmitglieder zu kümmern, dass keinerlei Kontrolle erforderlich ist – zumal die Frage eh ist, wer sich hier um wen kümmert. Wie es ist, wenn man sich gegenseitig gut aufgehoben weiß und jeder einfach seine Zeit an dem Ort genießt, an dem er gerade ist.

    Dies war ein immenses Geschenk nach Jahren der gefühlten Dienerschaft in vertrauten Gefilden.

    Frage an Dich, lieber Leser:

    Wo fühlst Du Dich voll und ganz willkommen?

    Wer vertraut Dir so sehr, dass er Dir seine Liebsten anvertraut?

    Und – um auf den Anfang des Berichts einzugehen:

    Räumst Du Deinem Körper und seinen Signalen genug Raum ein?

  • Was sagen mir meine Gefühle?

    Ist alles, was ich fühle, relevant? Der kleine, feine Unterschied

    Kennst Du das – Du wachst morgens auf, und noch während Du noch im Dämmerzustand bist, strömen langsam aber sicher die altbekannten größeren und kleineren Sorgen in Dein Bewusstsein?

    Dabei war gestern Abend alles so schön gewesen und Du hattest Dich mit einem Hochgefühl ins Bett gelegt, entschlossen, dem neuen Tag „positiv“ zu begegnen!

    Also gesellt sich zu dem ohnehin schon unangenehmen Gefühl nun auch noch der Ärger über Dich selbst, schon wieder „abgekippt“ zu sein.

    Fällt Dir etwas auf?

    Ich zumindest merke eine eindeutige, in ihrer Ausschließlichkeit fast grausame Tendenz, immer absolutes Glücklichsein anstreben zu wollen, ja, vermeintlich zu müssen.

    Wenn man nicht glücklich ist, stimmt was nicht mit einem.

    Hierzu habe ich einige sehr unterschiedlich geartete Fragen:

    • Ist es nicht in Ordnung, angesichts allem, was ständig auf der Welt geschieht, auch mal nicht manisch glücklich zu sein – auch, wenn man zu den Glücklichen gehört, die nicht in unmittelbarer Bedrohung leben?
    • Was, wenn Dein Glück ganz anders aussieht als jenes, das gemeinhin als solches definiert wird? Ruhiger, entspannter, mit mehr Spielraum für verschiedene Empfindungen?
    • Was, wenn Du jene Schwere, die nicht Dir gehört, leicht wieder ablegen kannst?

    Zu meiner ersten Frage wird jeder anders denken – dass jedoch nicht das Paradies auf Erden herrscht, wird sicher jeder zugeben. Warum sonst gibt es Religionen, Spiritualität, Philosophie etc.? Dienen sie doch letztendlich dazu, mit „diesem Leben“ klarzukommen, sich einen Reim darauf zu machen, das Unangenehme, das Leid entweder zu erklären, in eine andere Perspektive zu rücken oder zu verringern. Die zentrale Frage für mich lautet: Wie gehe ich damit um, dass es Leid gibt? Ich strebe an, so ehrlich wie möglich zu leben und in meinen Begegnungen mit anderen den Raum für Glück zu eröffnen, so gut ich kann.

    Das bringt mich zu meiner zweiten Frage: Was ist Glück für Dich persönlich, in dem Umfeld, auf das Du Einfluss hast? Wo findest Du Dich in dieser Gemengelage wieder?

    Mein Glück besteht darin, durchaus Dinge wahrnehmen und fühlen, dann aber auch wieder in jene Raumigkeit umschalten zu können, die es mir erlaubt, weiter zu atmen und andere Möglichkeiten zu sehen. Dazu gehören auch Phasen, in denen ich mich bewusst der Melancholie, der Traurigkeit, der Trauer hingebe. Zeiten gönne, in denen ich mir nichts schönreden oder umdeuten muss, in denen ich meinen Gefühlen und manchmal auch den Tränen freien Lauf lasse. Spannenderweise sind diese Phasen umso schneller vorbei, je mehr ich mir selbst gegenüber freundlich bin und alles zulasse – häufig ist es eine Angelegenheit von wenigen Minuten.

    Nur ein Verweilen in fremdem Leid, das man nicht lindern kann, zieht auf Dauer herunter und bringt niemandem etwas.

    Wie aber erkenne ich, wann ich es mit meinen eigenen Gefühlen zu tun habe?

    Als Faustregel kann ich sagen: Docken an die Gefühle altvertraute Gedankenschleifen an bzw. entspinnen sich im Nullkommanichts ganze Gedankenkonstrukte, je länger ich versuche, das Gefühl „loszuwerden“, handelt es sich eher um eine Energie von außen: Ich nehme sie wahr und versuche mir, einen Reim darauf zu machen, sie zu begründen, indem ich altbekannte Gedankenpfade ablaufe.

    Ein Beispiel von heute morgen: „Die Woche beginnt. Oje, ich habe immer noch keinen neuen zusätzlichen Job gefunden. Ich bin ein Loser, ein Outcast, ein Schmarotzer, ich werde auch noch das Geld meiner Eltern um die Ecke bringen, ich war schon immer ein Versager…“ Nüchtern betrachtet könnte ich jeden einzelnen „Punkt“ widerlegen, doch das ist ja gerade die Krux, dass man in solchen Momenten nicht „nüchtern“ denkt. Sondern das Hirn „denkt“ alle passenden Assoziationen aus dem eigenen Erleben und Erfahrung zur wahrgenommenen Energie hinzu. Nach dem Motto „Ich fühle …, das muss daher kommen, dass ich … getan oder nicht getan habe, … bin oder nicht bin etc.“ Am Ende solcher Gedankenketten fühle ich mich noch schlechter und sehe keinen Ausweg. Dies ist das klarste Anzeichen davon, dass es sich um eine Energie von außen handelt, die ich nicht ändern kann, weil sie nicht meine ist.

    Zusammengefasst – Gefühle, aus denen sich lange Gedankenketten entspinnen, die in die Hoffnungslosigkeit führen, sind in der Regel nicht meine.

    Wodurch jedoch unterscheiden sich meine eigenen Gefühle?

    Hier ein Beispiel aus meiner nicht so fernen Vergangenheit: In den letzten beiden Jahren, seitdem ich die letzte Überbleibende aus meiner Familie bin, ohne eine eigene gegründet zu haben, überkam mich besonders bei Reisen die Erkenntnis, derzeit keinen Menschen mehr auf der Welt zu haben, der auf meine Rückmeldung wartet. Empfand ich dieses „Meldenmüssen“ bislang auch als unangenehme Last, war die neue „Freiheit“ zunächst alles andere als erfreulich. Es war ein Gefühl des Alleinseins, das so tief ging, dass sich der Kopf gar nicht einschalten konnte, und sobald ich es (endlich!) nicht mehr unterdrückte, brach es sich Bahn und entlud sich, in diesem Fall in heilsamen Tränen.

    Oder mich ärgert eine Situation, die ich mir zunächst noch schön zu reden versuche. Lasse ich dem Ärger jedoch freien Lauf, indem ich beispielsweise bewusst vor mich hinschimpfe und auch physisch die Anspannung rauslasse, tritt auf einmal Klarheit ein. Und danach fange vielleicht sogar an zu singen.

    Der Unterschied von fremdem Leid, das wir wahrnehmen und erfolglos aufzulösen versuchen – unser Kopf läuft heiß und kommt doch zu keinem Schluss – und den eigenen Gefühlen, die sich entladen, wenn wir ihnen Raum geben, ist für mich eine lebensnotwendige Erkenntnis gewesen.

    Wie geht es Dir?

    Hast Du mit „lästigen Gefühlen“ zu kämpfen?

    Was, wenn wir mit allem umgehen können, wenn wir nur bewusst rangehen? Ich wünsche Dir einen wundervollen, vielfältigen und bewussten Tag!

  • Nach Australien ausgewandert

    Oder wie man den Tod eines geliebten Menschen noch betrachten könnte

    Wenn ich mit Menschen über Verstorbene spreche, verwende ich oft spontan das Bild, derjenige sei einfach nach Australien gezogen. Und zwar ein Australien, das man weder physisch noch mit gewöhnlichen Kommunikationsmitteln erreichen kann.
    So fühlt es sich für mich auch an: Wie ein Aufbruch in eine neue und spannende Welt jenseits unseres gewöhnlichen Horizonts, voller Vorfreude und Neugier.
    Dieser Abschied ist zwar unwiderruflich, doch hat er etwas von einem freundlichen Ziehenlassen und ermöglicht es, sich mit demjenigen, der geht, zu freuen, wenn man auch nicht mitkommen kann. Noch nicht.

    Gestern nun, als ich nach langer Zeit wieder das Grab meiner Familie besuchte, vertiefte ich mich in jenen tiefen Austausch mit ihnen, der mir an diesem Ort besonders leicht zu fallen scheint.
    Weil sie für mich in ganz anderen Dingen fortleben als den Namensplaketten auf dem gemeinsam mit meiner Schwester ausgesuchten Grabstein, gehe ich selten zum Grab. Doch wenn ich gehe, bietet der Ort den Raum für diese Begegnungen.

    Gestern also brachte ich meine Eltern und meine Schwester darüber auf den neuesten Stand, wie es mir mit den letzten Veränderungen in meinem Leben geht – in weniger als zwei Wochen übergebe ich das Haus meiner Eltern in wunderbare Hände und beginne mein Leben, frei von all den Dingen, die ich in den letzten 2 Jahren sortiert, gesichtet, gewürdigt und verabschiedet habe – und erbat mir ihre energetische Unterstützung für meine nächsten Vorhaben und Schritte. Und ganz wie bei einem normalen Gespräch erkundigte ich mich natürlich auch, wie es ihnen denn gehe.

    Die Energien, die ich wahrnahm, haben mich sehr berührt, weswegen ich dies gerne teilen möchte, um jenen, die eine ähnliche Erfahrung haben, vielleicht Mut machen zu können.

    Ich empfand meinen Papa als melancholisch und doch sehr weit und offen, meine Schwester als hin- und hergerissen zwischen Trauer und Freude, und meine Mutter als ganz aufgeregt, in freudiger Erwartung.

    Dies erinnerte mich an ein Erlebnis, das ich hatte, als ich einmal in ihren letzten Wochen bei meiner Schwester am Bett saß und über ihren Schlaf wachte. Ich gab ihr Körperbehandlungen und nahm irgendwann ganz deutlich unsere Eltern wahr, ganz besonders unsere Mutter, die wie die wenig geübte Hausfrau, die sie war, umhereilte, um einen festlichen Tisch im Garten zu richten. Es sollte ihren famosen Rhabarberkuchen – backen konnte sie ausgezeichnet! – geben, doch war sie sich nicht sicher, ob ihrer Tochter auch alles gefallen würde.

    Als meine Schwester aufwachte, war sie zeitlich desorientiert, und fragte dann, ob Mama da sei, um sich dann selbst zu korrigieren: „Nein, die ist ja gestorben“. Daraufhin erzählte ich ihr von meiner Wahrnehmung. Ich weiß nicht, was meine Schwester damals daraus gemacht hat, doch für mich war es eindeutig ein Hin- und Herwandern zwischen den Welten und ein Zeichen, wie sehr sich auf jeden Fall unsere Eltern auf ihre Ankunft freuten, wie auf ein Fest.

    Wenn ich nun in meine gestrige Wahrnehmung hineinspüre, ist das eine ganz ähnliche Energie wie damals. Nur, dass es diesmal eine noch viel größere Gruppe an Wesen ist, die die Feier zu Ehren ihrer Ankunft vorbereitet, die sich heute zum zweiten Mal jährt. Fast wie einen zweiten Geburtstag dort, wo auch immer die körperlosen Wesen zusammenkommen können, wenn sie es wünschen.

    Auf dem Weg zum Friedhofsausgang kamen mir auch wieder viele Details der letzten Wochen, die ihrer „Abreise“ vorausgegangen waren, all die kostbaren Momente miteinander, die wir noch hatten.
    Ich setzte mich auf eine Bank und schaute mir unter Tränen ihre letzten Whatsapp-Nachrichten an mich an. Mit der Zeit jedoch wandelten sich die Trauer- in Freudentränen.

    Denn ich spüre nun ganz deutlich den Beginn von etwas Neuem in meinem Leben. Einem Leben jenseits meiner kühnsten Vorstellungen, getragen vom Geist meiner Eltern und Schwester, wann und wenn ich dies wünsche.
    Was für ein Segen!

    P.S. Heute werde ich auf jeden Fall mit meiner Schwester Otis Redding hören! 🙂

  • Bye-Bye Bothmerstraße!

    Bye-Bye Bothmerstraße!

    Während ich über den Garten vor dem Haus blicke, das von meinen Großeltern an meine Eltern weitergegeben wurde, dann von meinen Eltern an meine Schwester und mich, und nach dem Tod meiner Schwester vor fast zwei Jahren in meinen Händen landete, bin ich dankbar und glücklich, es bald für immer zu verlassen und weiterzugeben – an eine wunderbare junge Familie. Und wieder hinauszugehen in die Welt!

    Über einen Zeitraum von sieben Jahren, in denen erst mein Vater, dann meine Mutter und schließlich meine Schwester starben, lebte ich immer wieder verschieden lang in diesem Haus – mit unterschiedlich stark ausgeprägter Dankbarkeit, um ehrlich zu sein. Ein Haus mit Garten bringt so viel mehr Aufwand mit sich, als ich es als Arbeits-Nomadin gewohnt bin, die sich immer gerade da niederlässt, wo das Leben sie hinführt. Außerdem waren die Umstände, die meine Anwesenheit erforderlich machten – das Ausräumen des Hauses über die Jahre, der Versuch, meiner Familie in Krankheit und Tod beizustehen, es zu einem Zufluchtsort für meine Schwester und mich nach dem Tod unserer Eltern zu machen – nicht gerade freudig. Dennoch bin ich dem Haus und besonders dem Garten sehr dankbar dafür, dass sie mir eine Oase des Friedens boten, als ich sie am meisten brauchte.

    Aber nun ist die Zeit gekommen, weiterzuziehen.

    Und obwohl all die Jahre, die ich einfach damit verbringen MUSSTE, die Habseligkeiten meiner Familie zu sortieren, manchen übertrieben erscheinen mögen, hoffe ich, dass meine Erfahrung – wie sie sich höchstwahrscheinlich in diesem Blog entfalten wird – ein Beitrag für manche Leser sein kann. Schon allein zu lesen, wie andere Menschen eine ähnliche Situation erleben, kann die Erleichterung bringen zu wissen, dass man nicht allein ist.

    So starte ich heute meinen Blog Bye, bye Bothmerstraße! mit einem kurzen Streifzug durch die Zeit.

    Was bedeutete das Haus also für mich über die Jahre?

    In den 80er und 90er Jahren war es das Zuhause meiner Großeltern, die wir zu Ostern und Silvester besuchten. Sie stellten ihre 50er-Jahre-Gartenmöbel aus Metall mit Blümchenbezügen und einer Wachstischdecke auf ein Stück Kunstrasen, um stolz auf ihrer Veranda zu sitzen. Die Inneneinrichtung mit ihrer plüschigen U-förmigen Sitzecke samt Spiegel und Holzlöwen erinnerte eher an viktorianischen Stil, konnte aber bei Bedarf problemlos mit besagten Gartenstühlen ergänzt werden. Es wurden klassische Snacks angeboten – wie mit Marmelade gefüllte Krapfen und Senfeier – aber meine Großeltern machten auch Zugeständnisse an die jüngere Generation, indem sie Erdnussflips und Brezeln hinstellten. Einer der kulinarischen Höhepunkte für mich war immer die sogenannte Gelbwurst, im Grunde Weißwurst als Aufschnitt, eine regionale Spezialität. Heute frage ich mich, wie 7 Erwachsene in einem 100-Quadratmeter-Haus schlafen konnten – aber offenbar haben wir es geschafft.

    Ich erinnere mich auch daran, dass die Winter für mich etwas Magisches hatten, da sie kalt waren und es echten Schnee gab (!), besonders im Vergleich zum regnerischen Norddeutschland, wo meine Eltern und ich damals lebten. Und im Frühling und Sommer waren die Eichhörnchen, die in den Bäumen umhersprangen und durch die Nachbarschaft liefen, immer etwas Besonderes für mich. Alles in allem hatte ich damals angenehme Assoziationen mit dem Haus als dem Ort, wo meine Großeltern lebten.

    Später, als sie in eine Wohneinheit in einem Altenheim zogen, das sie schon Jahre im Voraus reserviert hatten, zogen meine Eltern in das Haus. Nun waren sie nur noch 10 Fahrminuten voneinander entfernt. Da die Pensionierung von meinem Papa mit meinem Abitur zusammenfiel, hatte ich Zeit, meinen Eltern beim Umzug zu helfen, und machte mich dann auf den Weg zur Universität.

    Ich erinnere mich daran, wie meine Schwester und ich viel Spaß dabei hatten, unserem Vater beim Festnageln der Dachpappe auf dem Garagendach zu helfen, und zu sehen, wie meine Eltern den Wohnraum nach ihrem Geschmack umgestalteten. Sie fügten einen Wintergarten an der Rückseite des Hauses hinzu und einen winzigen Wintergarten-Anbau an der Vorderseite – was lustigerweise mit einer weiteren sehr spaßigen Erinnerung an praktische Hilfe verbunden ist – nämlich dem Einreißen der Wand mit Hämmern!

    Danach gab es fast dreißig Jahre lang Familienfeiern, und die Räume im Haus nahmen verschiedene Funktionen an. Besonders bemerkenswert war, dass meine Schwester und ich immer im zweitkleinsten Raum des Hauses im Keller schliefen, mit einem hineingequetschten Klappbett, aber dort konnten wir bis in die frühen Morgenstunden reden, ohne jemanden zu stören – und auch die Süßigkeiten genießen, die unser Vater uns heimlich hineinschmuggelte.

    Alles in allem war das Haus in meinen Gedanken für Familienfeste und Familientreffen reserviert – was in unserem Fall unsere Kernfamilie bedeutete, bestehend aus unseren Eltern, meiner Schwester und mir.

    Trotz all meines Hungers nach Freiheit und Reisen bot es ein Gefühl emotionaler Stabilität, das ich damals sicherlich nicht voll zu schätzen wusste. Außerdem konnte ich immer noch Sachen „zu Hause“ lassen – wie meine Kinderbücher und Spielzeug, aber auch neuere Gegenstände. Und der Dachboden bot eine reiche Auswahl an Möbeln, um meine Studentenbuden damit einzurichten. Ich erinnere mich daran, wie ich einmal einen Staubsauger mit auf meine Zugfahrt nach Leipzig nahm, sehr zur Belustigung der anderen Passagiere.

    Das Haus in Nürnberg war der Ort, wo ich meine Eltern garantiert antreffen konnte – und obwohl unsere Familiendynamik nicht gerade einfach war und ich mich immer auf diese Besuche einstellen und mich danach erholen musste, gab es da diese Grundfesten-Qualität, die ich erst kürzlich zu schätzen gelernt habe.

    Später, als unsere Eltern zu altern begannen, erlebte das Haus viel Schmerz, Leiden, eine Intensivierung schädlicher Persönlichkeitszüge und schwere Gespräche. Und doch wurden die Familientraditionen des Zusammenkommens zum Reden oder Spielen so weit wie möglich aufrechterhalten, auch nach dem Tod unseres Vaters vor 7 Jahren. Unsere Mutter folgte ihm etwas über ein Jahr später, und bis meine Schwester starb, sorgte ich dafür, dass wir Weihnachten und Neujahr im Haus auf eine Weise feierten, die uns an die größeren Familientreffen der Vergangenheit erinnerte.

    Einmal sagte meine Schwester scherzhaft zu mir, sie könne sich mich als alte Dame vorstellen, die im Wohnzimmer mit etwas Strickzeug auf dem Schoß sitzt und über den Garten blickt – was damals nur entsetzten Protest von mir hervorrief.

    Aber heute blicke ich aus dem Fenster und genieße jeden Vogel (oder jede Katze), der zu Besuch kommt, in freudiger Erwartung, dies alles sehr bald hinter mir und in guten Händen zu lassen.

    Ich frage mich, wie sich das Leben für die neuen Besitzer hier entfalten wird – und welche Geschichten das Haus dann zu erzählen haben wird?

    Zum Abschluss dieser Einführung möchte ich dir einige Fragen rund um das Konzept „Zuhause“ stellen.

    Wie hast du das Haus deiner Eltern erlebt – falls es eines in deinem Leben gab?

    Oder, um es breiter zu fassen: Wo hast du „Zuhause“ erlebt oder verortet?

    Gibt es einen bestimmten Ort oder mehrere Orte – oder Menschen – oder Geisteszustände –, die diese Qualität für dich haben?

    Wie wichtig ist dir ein Gefühl von Zuhause?

    Und wie dankbar würdest du dir erlauben zu sein für all die Momente von Zuhause, die du erlebst?